Damsey – die Wundertüte
So oft bekommen die Reitsport-Fans in Elmlohe und der Umgebung eine Welt- und Europameisterin sowie Olympia-Zweite auch nicht zu sehen. Entsprechend voll wurde es auch in diesem Jahr rund um das Dressurviereck, als Helen Langehanenberg bei den 67. Elmloher Reitertagen an den Start ging. Und so verwundert es auch nicht, dass die sympathische 34-Jährige ein begehrtes Fotomotiv war. Kaum hatte sie das Viereck verlassen, versammelten sich die Fans rund um den Abreiteplatz, um ein Bild mit dem Star zu bekommen.
Einer fehlte auf den Aufnahmen allerdings – Erfolgspferd Damsey. Der Hengst von der Deckstation Meyer in Dorum wurde am vergangenen Wochenende geschont, denn nur eine Woche zuvor hatte das Duo geschafft, was ihm wohl keiner zugetraut hätte. Nach ihrem Sieg im Dressur Grand Prix beim CHIO in Aachen sowie starken Auftritten in der Nationenwertung wurde die Dressurreiterin aus Billerbeck mit Damsey für die Europameisterschaft vom 22. bis 27. August in Göteborg nominiert. Der vorläufige Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte, die erst vor 18 Monaten begann.
Erst im Februar 2016 zog der Dressage-Royal-Sohn von Dorum in den Stall von Helen Langehanenberg nach Billerbeck. Die Weltcup-Siegerin von 2013 war im November 2015 erstmals Mutter geworden und wollte nach der Babypause wieder in den großen Sport einsteigen. Auf internationaler Bühne hatte sie unfreiwillig pausieren müssen. Denn Ende 2014 musste sie ihr Top-Pferd, den Hengst Damon Hill, abgeben.
Doch so ein Neustart mit einem schon 15-jährigen Pferd ist nicht ohne Risiko. Und es gibt keine Garantie, dass unter einem neuen Reiter noch der Sprung in den ganz großen internationalen Sport gelingt. Mögen sie auch alle dieselben Lektionen abliefern, so gibt doch jeder Reiter seine Hilfen etwas anders. Und das muss das Pferd verstehen.
„Damsey ist ein fantastisches Pferd. Die Lektionen hat er alle drauf, Schwächen hat er keine. Aber er hat auf Turnieren seinen Törn, ich habe meinen. Wir beide müssen gemeinsam lernen, darauf kommt es an“, sagte Langehanenberg im Vorjahr bei den Elmloher Reitertagen.
Nun, nur zwölf Monate später, ist dieser Vorgang abgeschlossen – mit Erfolg. „Es heißt immer, dass man ein gutes Jahr braucht, um zusammenzuwachsen, wenn man ein neues Pferd übernimmt. Das war damals auch bei Damon Hill der Fall“, erklärt sie. „Man probiert viel rum, nicht unbedingt in der Art und Weise, dass man die Reiterei umstellen würde, sondern man muss herausfinden, wie oft und wie viel man mit dem Pferd arbeiten muss. Auch direkt vor einer Prüfung.“
Dass nur die wenigsten ihr den Sprung mit Damsey ins internationale Geschäft zugetraut hatten, stört die Dressurreiterin nicht. „Aber natürlich freue ich mich umso mehr, dass es geklappt hat“, erklärt Langehanenberg mit einem Augenzwinkern.
Sie traut dem Hengst für die Zukunft alles zu. „Damsey ist eine Wundertüte. Er weiß, was er will und ist mal Schlaftablette, mal Duracell-Häschen“, erklärt sie lachend. Wie bitte? Ja, richtig gelesen. „Bei ihm muss man einfach auf alles gefasst sein. In der einen Minute denkt man, er schläft beimSchrittreiten gleich ein, im nächsten Moment explodiert er“, erläutert die 35-Jährige.
Was kann man von dem Paar nun also bei den Titelkämpfen im schwedischen Göteborg erwarten? Da will sich Helen Langehanenberg nicht in die Karten schauen lassen. Doch wenn er so gut ankommt wie in Aachen, könnte die ein oder andere Überraschung herausspringen. So wie am Wochenende in Elmlohe bei ihrem Sieg mit Nachwuchspferd Annabelle in der S***-Dressur Intermediare – trotz eines Patzers bei den Zweier-Wechseln.
„Sie hat viele Ecken und Kanten, aber es war viel Gutes dabei“, frohlockte die zierliche Reiterin, die auf dem Abreiteplatz zeitweise „fast in Not geraten“ ist. Denn die Stute hat ihren eigenen Kopf und wirbelte den Abreiteplatz auf. Auch ein Star hat manchmal eben mit den Tücken eines Pferdes zu kämpfen.