Ehemalige Sieger trauern dem Mächtigkeitsspringen nach
Das Aus des Mächtigkeitsspringens bei den Elmloher Reitertagen ist besiegelt – zum Leidwesen ehemaliger Sieger, die auf die erfolgreiche Ära zurückblicken. Auch Rekordhalter Franke Sloothaak übt deutliche Kritik.
Es wackelte bedenklich, zwei Elemente des 2,20 Meter hohen, grauen Ungetüms schoben sich einige Zentimeter in Richtung Abgrund – es blieb aber alles liegen. Der Hauptakteur, Springreiter Jörg Peper, sah sich kurz um, reckte dann jubelnd die geballte Faust in den Nachthimmel und ließ sich von den rund 6.500 Zuschauern beim Mächtigkeitsspringen in Elmlohe feiern. Der „Herr der Lüfte“ aus Harsefeld hatte sich nach einigen Jahren Pause 1999 bei „seinem“ Turnier eindrucksvoll zurückgemeldet.
Anfang bis Mitte der 90er Jahre galt Peper in Elmlohe mit seinem Wallach Drifter als Bank, wenn es darum ging, den Sieger im Mächtigkeitsspringen auszureiten. Zweimal hatte sich der Harsefelder bei den Elmloher Reitertagen bereits in die Siegerliste eingetragen, teilte sich dabei die Siege mit wahren Spezialisten. Einmal war es Weltmeister und Olympiasieger Franke Sloothaak mit Optiebeurs Leonardo, einem der wohl besten Mächtigkeitspferde, die es je gab, einmal musste sich Peper das erste Preisgeld mit Norbert Nuxoll teilen, der mit dem Hengst San Carlos ebenfalls ein Top-Pferd für diese Prüfungen hatte.
Mit Chablis einen „Flieger“ aus dem Hut gezaubert
1999 kurz vor Mitternacht war es dann zum dritten Mal so weit. Jörg Peper zauberte mit dem acht Jahre alten Oldenburger Wallach Chablis wieder einen „Flieger“ aus dem Hut. „Ein bisschen Bammel hatte ich vor der Mauer schon. Ich war zunächst nur froh, heil drüber gekommen zu sein“, meinte Peper, der seinen Sieg nach gutem alten Brauch mit Kollegen und Freunden ausgiebig feierte. Welche Summe letztlich von seinem Preisgeld (2.850 Mark) schon bei den anschließenden Thekenrunden über den Tresen ging, wird für immer Pepers Geheimnis bleiben.
Es sind diese Geschichten, die auch nach dem Aus des Mächtigkeitsspringens bei den Elmloher Reitertagen in Erinnerung bleiben werden. „Die Leute sprechen mich noch heute darauf an, was vor 25 Jahren war“, berichtet der heute 62-jährige Peper. „Früher war ein Sieg im Mächtigkeitsspringen mehr wert, als den Großen Preis zu gewinnen – obwohl es sportlich nie wertvoller war. Ein absolutes Highlight. Es war ein Zuschauermagnet. Die Leute wollen das Kribbeln, ob die Mauer fällt oder nicht. Das ist was anders als immer wieder der gleiche Parcours. Es war ein unglaublicher Kick und Nervenkitzel, wie bei einem Skispringer oben auf der Schanze.“
Diese Aussage unterstützt auch Franke Sloothaak. „Bei den Euroclassics in Bremen hat Tennis-Impresario Ion Tiriac bei seinem Einstieg einst gesagt, dass das Mächtigkeitsspringen ein Springen wäre, das er sofort ins Programm übernehmen würde – weil es einfach jeder versteht. Doch stattdessen wurden es immer weniger und dementsprechend auch weniger Spezialisten.“ Für den Harsefelder Peper hat es sich immer angefühlt, als wenn heutzutage bei einem Fußball-Champions-League-Spiel die Flutlichter angehen.
Öffentliche Diskussionen um Tierquälerei
„Die Zuschauer in Elmlohe sind immer sehr mitgegangen. Das Ambiente war unglaublich und hat ein einfach viel Spaß gemacht. Es war eine megatolle Zeit“, erklärt Peper, merkt aber ebenfalls an, dass diese vorbei ist. „Die Qualität der Reiter und Pferde für dieses besondere Springen hat in den letzten Jahren nachgelassen, es wird nicht mehr so hoch gesprungen. Ich musste für meine Siege noch immer mindestens über 2,20 Meter springen. Das ist wahrscheinlich auch den öffentlichen Diskussionen um Tierquälerei, die in den letzten Jahren zugenommen hat, geschuldet. Dabei ist das totaler Quatsch. Ein Pferd, das nicht über eine zwei Meter hohe Mauer springen will, bekommt man da auch nicht drüber.“
Drastischer und weniger verständnisvoll äußert sich Franke Sloothaak, der nun auf alle Ewigkeit mit seinem Optiebeurs Leonardo den Rekord mit übersprungenen 2,25 Metern halten wird. „Warum muss auf einmal alles schlecht sein, was 100 Jahre gut war? Ich habe wenig Verständnis dafür, dass es kein Mächtigkeitsspringen mehr geben soll. Es besteht einfach eine Kluft zwischen Freizeit- und Turnierreitern genauso wie zum Voltigieren und Rennpferde-Sport. Und der Verband ist zu schwach, das zusammenzubringen und sich auch gegen Tierschützer durchzusetzen“, so der 65-Jährige.
„Ich denke gerne und mit Stolz an die Zeit zurück, die Zuschauer haben immer alle mitgefiebert. Mein Pferd war ein absoluter Spezialist, er wurde da herantrainiert. Ein Rekord ist ja keine Eintagsfliege. Und ich glaube, an dem Tag wäre er sogar über 2,50 Meter gesprungen. So etwas ist genau das gewesen, was mich an meinem Sport immer fasziniert hat: Zu sehen, zu was Pferde in der Lage sind und wofür sie für einen zu kämpfen bereit sind.“