Die ganz großen Gefühle
Tief gebeugt über den Hals von Bjerglunds Cuba fegte Alexa Stais über den letzten Sprung und über die Ziellinie – was darauf folgte, war ein Rausch der Gefühle: Die Zuschauer tobten vor Begeisterung, während die Südafrikanerin ihr Pferd herzte und es am liebsten gar nicht mehr loslassen wollte. Unterdessen sprang ihr Trainer am Rande des Parcours in die Arme ihres Vaters. Als letzte Starterin im Stechen des Großen Preises, dem sportlichen Höhepunkt zum Abschluss der Elmloher Reitertage, schnappte sich die 21 Jahre junge Reiterin in letzter Sekunde ihren ersten Sieg in einem S****-Springen.
Bis zu ihrem Husarenritt sah Thomas Brandt wie der sichere Sieger aus. Als Erster war er in die entscheidende Runde gegangen und hatte eine fehlerfreie Fabelzeit vorgelegt, an der sich die Konkurrenz die Zähne ausbiss. Alle – bis auf Alexa Stais. Mit ihrer zehnjährigen Holsteiner Stute ging sie volles Risiko und schaffte es, den Spitzenreiter noch um elf Zehntelsekunden vom Sockel zu stoßen. „Ich wusste, dass ich schneller sein könnte und habe es schlussendlich auch gespürt. Ich musste dafür gar nicht auf die Anzeigetafel gucken. Dann haben die Zuschauer auch schon alle geschrien“, frohlockte Alexa Stais und strahlte dabei über das ganze Gesicht.
Erst seit einem Jahr hat sie ihre Stute Bjerglunds Cuba unter dem Sattel, ein Pferd ihres Trainers Hilmar Meyer. Ein Duo, das sich gesucht und gefunden hat. Denn nur ein Jahr nach dem ersten Vier-Sterne-Springen gelang nun der erste ganz große Wurf. „Pünktlich zu einem Großen Preis ist sie immer voll da. Bjerglunds Cuba ist eine Kämpferin. Sie hat diesen Sieg für mich geholt. Es bedeutet die Welt für mich“, erklärt die 21-Jährige vom Reit- und Rennverein Schwarme 1897. Keine Frage also, dass der extra angereiste Vater Panayiotis Stais dem Pferd einen Kuss aufdrückte, während seine Tochter noch schnell einige Runden mit ihrem gewonnenen VW up über den Parcours drehte, ehe der große Regen einsetzte. „Ich könnte vor Stolz platzen. Das hat Alexa ihren Förderern und Freunden hier in Deutschland zu verdanken“, so der Papa. Und fängt an zu lachen, als seine Tochter vorbeifährt und die Zunge rausstreckt.
Vor zwei Jahren erst kehrte die Südafrikanerin ihrer Heimat den Rücken und heuerte im Stall von Hilmar Meyer in Thedinghausen an. „Ich wollte schon immer nach Deutschland. Der Reitsport ist hier viel größer, und man ist näher dran an den großen Turnieren“, betont die sympathische junge Frau mit den vielen Sommersprossen im Gesicht. Mit 15 Jahren hatte sie ihren heutigen Trainer beim Kauf eines Pferdes kennengelernt und gleich klargemacht, nach ihrem Schulabschluss bei ihm anfangen zu dürfen. Der Start einer Erfolgsgeschichte.
Das nächste Ziel der zierlichen Reiterin sind nun die Weltreiterspiele (World Equestrian Games) in Tryon in North Carolina (USA) vom 10. bis 23. September 2018. Und wer mag schon daran zweifeln, dass sie sich dafür qualifiziert. „Letztes Jahr ist sie ihr erstes Vier-Sterne-Springen geritten, nun schon der erste Sieg. Das ist einfach gewaltig. Heute hat es auf den Punkt gepasst, und sie ist einfach fantastisch geritten“, lobte Hilmar Meyer. Und fügte hinzu: „Nun haben wir beide Autos, das ist schon fast verrückt.“ Denn der Mentor stand seiner Schülerin in Nichts nach: Er hatte am Sonnabendabend die Punktewertung aus Barrieren- und Mächtigkeitsspringen für sich entschieden – auch mit einem VW up als Preis.